Kolonialismus: Die Mächtigen formulieren das Recht

30.08.2018/EG aus dem Blog Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin

Karina Theurer und Wolfgang Kaleck, beide Juristen, über die kolonialen Wurzeln des Völkerrechts

„Das Völkerrecht in seiner eurozentrischen Prägung und hegemonialen Auslegung diente nicht nur während der Kolonialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der europäischen Unternehmen und Kolonialstaaten, sondern es dient auch heute noch dazu, diese Verbrechen in rechtlicher Hinsicht zu verschleiern. Dafür steht exemplarisch das Beharren darauf, dass koloniale Sachverhalte nach der eigenen Interpretation des formal geltenden europäischen Rechts von damals, also nach dem sogenannten Grundsatz der Intertemporalität, beurteilt werden sollen. So wird selbst heute noch implizit auf die in das damalige Recht verwobene Vorstellung eines vorgeblich „natürlichen“ Zivilisierungsauftrags der Europäer und der damit einhergehenden rassistischen Abwertung von Nicht-Europäern zurückgegriffen.“ blaetter.de

Zum Thema

„Wenn EU-Recht und völkerrechtliche Investitionsschutzabkommen aufeinanderprallen und unterschiedliche Schutzstandards gelten, wem ist dann der Vorrang einzuräumen?“ ↗voelkerrechtsblog.org

„Der Ökonom Hans Christoph Binswanger hat darauf hingewiesen, wie die private Geldschöpfung durch Banken nicht nur eine wachstums- und profitorientierte Wirtschaft befördert, sondern auch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, da letztere in der Regel kostengünstiger sind als Arbeitskraft. In Zeiten von Austeritätspolitik wird Rohstoffausbeutung auch zur Sanierung öffentlicher Haushalte interessant…“ ↗voelkerrechtsblog.org

„Das Verhältnis zwischen Globalisierung und zeitgenössischer Verfassungsentwicklung hat eine dunkle Seite. Viele Kosmopoliten sind der Globalisierung, unabhängigen Gerichten und dem Säkularismus weitaus mehr verpflichtet als robusten politischen Freiheiten, breit geteiltem wirtschaftlichem Wohlstand und robusteren Vorstellungen von Inklusivität.“ verfassungsblog.de

Buchtipp: Kongo

24.08.2018/EG

Éric Vuillard: Kongo

Erzählung (1884, Europa, Kapitalismus, Afrika, Rohstoffe)

König Leopold II. initiiert 1884 in Berlin die Kongokonferenz. Jahrzehnte, nachdem das europäische Ringen um Rohstoffe und Land entschieden scheint, fordert der König des Kleinstaats seinen Teil des Kuchens. Er rafft gigantische Teile zentralafrikanischen Regenwalds im heutigen Kongo in seinen Privatbesitz, eine Fläche achtmal so groß wie Belgien. Improvisierend und spärlich besetzt beginnt eine Kolonialherrschaft von ungekannter Brutalität, die das Land bis in die Gegenwart hinein zeichnet. Éric Vuillard macht die Monstrosität der Geschichte Belgisch-Kongos in seinem virtuosen Text spürbar. Er zeigt kleine Brüsseler Beamte, aufgeschwungen zu Dschungelherrschern, die zu Vollstreckern der europäischen Rohstoffgier werden, und er verleiht ihren zahl- und namenlosen Opfern eine Stimme. Mitreißende Erzählung eines der bizarrsten Kapitel der Kolonialgeschichte und rhapsodischer Essay über die Allgegenwart der Gier, ist »Kongo« ein erschreckend lebendiges Zeugnis banaler Grausamkeit und des beginnenden Weltkapitalismus.

Kapitalflucht aus Afrika: ‘Einwanderung‘ löst keine Empörung und kein Sicherheitsbedürfnis aus

07.08.2018/EG aus dem Forschungsinstitut für politische Ökonomie (PERI) der Universität von Massachusetts, Amherst, MA (USA)

Nach Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler Leonce Ndikumana und James K. Boyce wurden in den vergangenen Jahrzehnten rund 1,4 Billionen US-Dollar aus Afrika in andere Länder transferiert

Der Bericht von Leonce Ndikumana und James K. Boyce enthält Schätzungen der Kapitalflucht aus einer repräsentativen Stichprobe von 30 afrikanischen Ländern im Zeitraum 1970 bis 2015. Die Wirtschaftswissenschaftler stellen fest, dass die untersuchten Länder durch Kapitalflucht über den Zeitraum von 46 Jahren insgesamt 1,4 Billionen Dollar (Zinserträge nicht eingerechnet) verloren haben. Dieser Betrag übersteigt bei weitem den Schuldenstand dieser Länder ab 2015 in Höhe von rund 500 Milliarden US-Dollar. Demnach wäre Afrika, hätte die Kapitalflucht nicht stattgefunden und das Kapital in Afrika investiert worden, heute von den Schulden befreit und viele der aktuellen Fluchtursachen wären folglich nicht entstanden. ↗peri.umass.edu

Zum Thema

Schuldenreport 2018: Seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 hat sich die Gesamtverschuldung aller Niedrig- und Mitteleinkommensländer fast verdoppelt. ↗erlassjahr.de

Der Washingtoner Think-Tank Global Financial Integrity (GFI) schätzt, dass Entwicklungs- und Schwellenländern jährlich eine Billion Dollar durch unlautere Finanzflüsse verloren geht. journal21.ch

David Beasley, Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP): „Mit jedem Prozent einer hungernden Bevölkerung wachse der Anteil der Flüchtlinge um zwei Prozent.“ bundestag.de

Stagnieren die Löhne aufgrund von Unternehmensmacht?

06.08.2018/EG aus dem Blog der Arbeiterkammer, Wien

Christian Bellak und Christian Reiner, Wirtschaftswissenschaftler, untersuchten die Verhandlungsmacht von Arbeit und Kapital

„Der Machtverlust von ArbeitnehmerInnen ist eng mit dem internationalen Bedeutungsverlust der Gewerkschaften verbunden, der etwa die institutionell-rechtliche Stellung, die Mobilisierungsstärke oder die Verhandlungsmacht betrifft. Daten zum gewerkschaftlichen Organisationsgrad zeigen, dass dieser in 23 von 24 hochentwickelten Ländern in den letzten 30 Jahren abgenommen hat.
Empirisch zeigt sich ein starker Zusammenhang zwischen einer Zunahme des Einkommensanteils der obersten 10 % und dem Organisationsgrad der Gewerkschaften. Die geringere Verhandlungsmacht gegenüber der Kapitalseite führt zu steigenden Kapitaleinkommen, die wiederum vorwiegend an die obersten 10 % ausbezahlt werden. Hinzu kommt, das schwächere Gewerkschaften und Betriebsräte weniger Einfluss auf Managementgehälter haben, um die dort stattfindenden Exzesse zu verhindern.“ awblog.at

Buchtipp: Jäger, Hirten, Kritiker

20.07.2018/EG

Richard David Precht: Jäger, Hirten, Kritiker
Eine Utopie für die digitale Gesellschaft

Sachbuch (Arbeit, Einkommen, Gesellschaft, Kapitalismus)

Dass unsere Welt sich gegenwärtig rasant verändert, weiß inzwischen jeder. Doch wie reagieren wir darauf? Die einen feiern die digitale Zukunft mit erschreckender Naivität und erwarten die Veränderungen wie das Wetter. Die Politik scheint den großen Umbruch nicht ernst zu nehmen. Sie dekoriert noch einmal auf der Titanic die Liegestühle um. Andere warnen vor der Diktatur der Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley. Und wieder andere möchten am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und zurück in die Vergangenheit.

Richard David Precht skizziert dagegen das Bild einer wünschenswerten Zukunft im digitalen Zeitalter. Ist das Ende der Leistungsgesellschaft, wie wir sie kannten, überhaupt ein Verlust? Für Precht enthält es die Chance, in Zukunft erfüllter und selbstbestimmter zu leben. Doch dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen und unser Gesellschaftssystem konsequent verändern. Denn zu arbeiten, etwas zu gestalten, sich selbst zu verwirklichen, liegt in der Natur des Menschen. Von neun bis fünf in einem Büro zu sitzen und dafür Lohn zu bekommen nicht!

Dieses Buch will zeigen, wo die Weichen liegen, die wir richtig stellen müssen. Denn die Zukunft kommt nicht – sie wird von uns gemacht! Die Frage ist nicht: Wie werden wir leben? Sondern: Wie wollen wir leben?