Ist der Bundestag ein Selbstbedienungsladen für Parteien?

14.06.2018/EG aus dem VERFASSUNGBLOG, Berlin

Sophie Schönberger, Rechtswissenschaftlerin, über die verfassungswidrigen Pläne der Regierungskoalition zur Reform der Parteienfinanzierung

„Über Geld zu reden ist ja immer eine heikle Angelegenheit. Das gilt erst recht, wenn es um den Zusammenhang von Geld und Demokratie geht. Dass Geld überhaupt eine relevante Größe im demokratischen Prozess darstellt, ist in gewisser Weise ohnehin schon schwer zu ertragen. Denn weil Geld in der Regel in demokratischen Gesellschaften keineswegs gleich verteilt ist, droht sein Einfluss auf demokratische Entscheidungen eines der zentralsten Versprechen der demokratischen Herrschaftsform zu gefährden: die fundamentale Gleichheit aller Bürger.“ verfassungsblog.de

Zum Thema unser Beitrag „Parteienfinanzierung: CDU, CSU und SPD fordern 15 % mehr Geld“ vom 07.06.2018:

Gesetzentwurf: CDU, CSU und SPD wollen die Obergrenze für staatliche Parteienfinanzierung ab 2019 um 15,2 % auf 190 Mio. Euro erhöhen

Laut Parteiengesetz erhöht sich das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt werden darf (sogenannte absolute Obergrenze), um den Prozentsatz, um den sich der Preisindex der für eine Partei typischen Ausgaben im vergangenen Jahr erhöht hat. Demnach wurde für 2018 die absolute Obergrenze um 2,2 Prozent auf 165 Millionen Euro erhöht.
Nach Angaben der Regierungsparteien (CDU, CSU, SPD) reicht dieser Inflationsausgleich nicht aus, um die Aufwendungen zur Nutzung neuer (digitaler) Kommunikationswege und Medien für die „von der Verfassung übertragenen Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes“ zu finanzieren. bundestag.de

Beispiele privilegierter Finanzierungsformen von Parteien:

  • die staatliche Teilfinanzierung (Erstattung der Wahlkampfkosten)
  • steuerliche Begünstigungen von ‘Kleinspenden‘
  • steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen
  • steuerliche Begünstigung von Mandatsträgerabgaben
  • öffentliche Mittel für die Arbeit von Parlamentsfraktionen
  • staatliche Unterstützung parteinaher Stiftungen
  • kostenlose Sendezeiten für Wahlwerbung (inkl. Gesprächsrunden und Interviews)
  • kostenlose Bereitstellung von Werbeflächen (inkl. Presseberichte und -fotos)
  • Entscheidung über die (eigenen) Diäten sowie andere Ämter und hohe Posten in der Justiz und Verwaltung („Gesetzgeber in eigener Sache“)

Die Gesamteinnahmen der Parteien im Jahr 2015:

  • AfD 14,8 Mio. Euro (Anteil staatlicher Mittel: 5,2 Mio. Euro/35,2 %)
  • CDU 143,4 Mio. Euro (49,3 Mio. Euro/34,4 %)
  • CSU 59,1 Mio. Euro (13,4 Mio. Euro/22,7 %)
  • DIE LINKE 28,0 Mio. Euro (11,0 Mio. Euro/39,2 %)
  • FDP 25,8 Mio. Euro (8,9 Mio. Euro/34,4 %)
  • GRÜNE 40,0 Mio. Euro (15,1 Mio. Euro/37,8 %)
  • SPD 156,8 Mio. Euro (50,1 Mio. Euro/31,9 %)

Das Reinvermögen (Besitzposten abz. Schuldposten) der Parteien im Jahr 2015:

  • AfD 10,0 Mio. Euro
  • CDU 149,2 Mio. Euro
  • CSU 37,0 Mio. Euro
  • DIE LINKE 29,1 Mio. Euro
  • FDP 6,8 Mio. Euro
  • GRÜNE 42,8 Mio. Euro
  • SPD 202,1 Mio. Euro

Die komplette Unterrichtung zu den Einnahmen, Ausgaben und Vermögensverhältnissen der Parteien lesen Sie hier bundestag.de.

Nachtrag am 18.06.2018:

Die namentliche Abstimmung zur Änderung des Parteiengesetzes sehen Sie hier bundestag.de.

Die Geldflüsse an die Parteien können Sie hier recherchieren lobbypedia.de.