Automobildebatte: „Zeit, die Wahrheit zu sagen“

14.08.2017/EG aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW), Berlin

Claudia Kemfert, Wirtschaftswissenschaftlerin, über einen konservierten Industriezweig und dessen ‘Kundenservice‘

„Was ginge für ein Aufschrei durchs Land, wenn man die bereits gekauften mit Fipronil verunreinigten Eier zurückbringen dürfte, um dann rabattierte frische Eier zu bekommen – mit rechnerisch 25 Prozent weniger Fipronil, aber weil die Eier größer sind, in Wahrheit mit mehr Fipronil als vorher. Man würde den Bauern die Eier an den Kopf werfen und die faulen Marketing-Tomaten gleich noch hinterher.

Es ist daher Zeit, den Deutschen die Wahrheit zu sagen.

1. Die angeblich so saubere Dieseltechnologie kann nicht gleichzeitig die CO2- und die Stickoxidgrenzwerte einhalten – entweder das eine oder das andere. Diesel ist keine zukunftsfähige Technik, sondern eine Technik der Vergangenheit.

2. Auf Kosten der Verbraucher haben die Autokonzerne in den vergangenen Jahrzehnten gigantische Gewinne eingefahren. Die sollten die Kunden nun als echten Schadensersatz zurückbekommen.

3. Die deutsche Autoindustrie hat mutwillig und wider besseres Wissen zu erhöhten Gesundheitskosten und Klimakosten beigetragen, ein Schaden, den sie zumindest ökonomisch wiedergutmachen sollten. Die bereits entstandenen Gesundheits- und Klimaschäden sind irreversibel.

4. Den betrogenen und ökonomisch geschädigten Dieselkunden muss ernsthaft aus der Patsche geholfen werden, und zwar nicht auf Kosten der ohnehin schon geschädigten Bürger. Zahlen müssen jetzt mal die Verursacher. Das sind in diesem Fall eindeutig nicht die Autofahrer, sondern die Hersteller!

5. Die derzeit ebenfalls angebotenen Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge haben die betroffenen Autohersteller gar nicht wirklich im Angebot – oder wenn, dann zu nicht marktfähigen Preisen und mit unzumutbaren Lieferzeiten. Wer auf Elektromobilität umsteigen will, muss sich (leider!) auf dem internationalen Automarkt umschauen.

Aus kurzfristiger Profitorientierung hat die Autoindustrie nicht nur die eigene Zukunft, sondern auch die deutsche Wirtschaftskraft aufs Spiel gesetzt. Das Vertrauen in Made in Germany war mühsam aufgebaut und ist leider schnell verspielt.

Echter Verbraucherschutz sollte nicht Steuergeld für eine Industrie ausgeben, die ihre Probleme selbst verursacht hat, die die Vergangenheit konservieren und betrogene Kunden nicht angemessen entschädigen will. Die Autokonzerne sind in Pflicht. Sie sind nicht too big to fail. Sie sind ewig gestrig. Und das ist bitterer Ernst.“ diw.de