23.03.2018/EG aus dem Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf
DICE-Studie von Justus Haucap, Wirtschaftswissenschaftler, zur Rolle von Daten als Wettbewerbsfaktor
„Aus wettbewerbsökonomischer Perspektive ergeben sich mindestens fünf neue Problemkreise im Kontext datengetriebener Geschäftsmodelle:
Erstens stellt sich die Frage, ob und wann der Zugriff auf bestimmte Daten eine notwendige Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb ist oder, anders gewendet, ob und wann das Erheben und Kombinieren bestimmter Daten einem Unternehmen solch einen Wettbewerbsvorsprung verschafft, dass es eine Monopolstellung erreichen und verteidigen kann oder zumindest erhebliche Marktkonzentration das Resultat ist.
Zweitens ist der Austausch von Informationen und Daten durch Unternehmen sowie eine ggf. erhöhte Markttransparenz traditionell in der Kartellrechtspraxis und in der Wettbewerbsökonomie regelmäßig als kollusionsfördernd bewertet worden, so dass der Datenaustausch zwischen Unternehmen kartellrechtlich regelmäßig als problematisch bewertet wurde. Fraglich ist, ob diese Interpretation in einer datengetriebenen Ökonomie, in welcher Netzeffekte eine bedeutende Rolle spielen, auch richtig ist.
Drittens ergeben sich Fragen, inwiefern im Kartellrecht Datenschutzbelange Berücksichtigung finden können bzw. inwiefern das (exzessive) Sammeln und Kombinieren von Daten ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sein kann.
Viertens stellen sich aufgrund der technischen Möglichkeiten zur stärkeren Preisdifferenzierung neue Fragen für Wettbewerbspolitik und Verbraucherschutz.
Und fünftens wird unter Wettbewerbsökonomen und Kartellrechtlern aktuell intensiv diskutiert, ob die Nutzungen von Algorithmen zur Preissetzung Kartelle unterstützen oder sogar induzieren können.“
Fazit
„Zusammenfassend ist eines klar: Die Digitalisierung und Big Data werden unser Leben in vielen Bereichen – viel mehr als in diesem Beitrag angesprochen werden kann – erheblich verändern. Es bieten sich dadurch erhebliche Chancen für die Individuen und somit auch die Gesellschaft als Ganzes. Wichtig ist aber, nicht starr an Rechtsnormen festzuhalten, sondern diese immer wieder ob ihrer Sinnhaftigkeit zu überprüfen, so wie dies etwa im Rahmen der 9. GWB-Novelle für das Kartellrecht erfolgt ist. Dies sollte Teil einer wirklich umfassenden „Digitalen Agenda“ sein. Aktuell wird auf viele Veränderungen mit Verboten und Regulierung reagiert, ganz gleich ob es die Verbote von Uber und AirBnB, die Preisbindung für E-Books, das Leitungsschutzrecht für Presseverlage oder das Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Zugleich hängt Deutschland im Bereich E-Government und Open Data dem Digital Scoreboard der Europäischen Kommission (2017) zufolge international hinterher. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (2016) spricht von einer digitalen „Service-Wüste in deutschen Amtsstuben“. Da aktuell jedoch zahlreiche Einzelmaßnahmen aus verschiedenen Ressorts unkoordiniert verfolgt werden, fehlt offenbar der Blick für das große Ganze. Zudem wird es Interessengruppen einfach gemacht, mit politischen Maßnahmen gegen die Digitalisierung zu stemmen. Manchmal entsteht der Eindruck, Deutschland solle in ein analoges Museum verwandelt werden. Dies zu verhindern wird Aufgabe der neuen Staatsministerin für Digitalisierung bei der Bundeskanzlerin sein. Unterstützen könnte diese eine Digitalisierungskommission nach dem Vorbild der Deregulierungskommission der frühen 1990er-Jahre. Eine solche Kommission sollte Maßnahmenbündel vorschlagen, die weniger leicht von einzelnen Interessengruppen (Apothekern, Taxiunternehmen, Verleger, Hoteliers etc.) sabotiert werden können. Als Alternative bliebe das, was Ronald Reagan einst wie folgt beschrieben hat: „Government’s view of the economy could be summed up in a few short phrases: If it moves, tax it. If it keeps moving, regulate it. And if it stops moving, subsidize it.”* Eine solche Entwicklung gilt es zu verhindern.“ ↗dice.hhu.de
*“Die Sicht der Regierung auf die Wirtschaft lässt sich in ein paar kurzen Sätzen zusammenfassen: Wenn sie sich bewegt, besteuern Sie sie. Wenn es in Bewegung bleibt, regulieren Sie es. Und wenn es aufhört sich zu bewegen, subventionieren Sie es.“ (Übersetzung mit DeepL)