NSA-Untersuchung: Deutsche Firmen in der Kritik

09.09.2016/EG aus dem Deutschen Bundestag, Berlin

IT-Experte von American Civil Liberties Union (ACLU) im NSA-Untersuchungsausschuss: „Deutschland ist nicht unschuldig, auch an Ihren Händen klebt Blut“

In Deutschland ansässige Technologiefirmen ermöglichen nach den Worten eines IT-Experten aus den USA autoritären Regimen weltweit die Bespitzelung und Überwachung ihrer Bürger. „Deutschland ist nicht unschuldig, auch an Ihren Händen klebt Blut“, sagte der Informatiker Christopher Soghoian gestern in einer Anhörung vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA).

Der heute 35-jährige gebürtige Kalifornier ist als „Cheftechniker“ bei der American Civil Liberties Union (ACLU) tätig, der größten und zweitältesten Bürgerrechtsorganisation in den Vereinigten Staaten. Er gilt als Experte für Angriffe auf das Internet durch Behörden und als Kritiker von Softwarefirmen, die dem Staat die dafür erforderlichen Mittel an die Hand geben. In Deutschland hätten Unternehmen ihren Sitz, die „einige der repressivsten Staaten der Welt“ mit Spionagesoftware belieferten, sagte Soghoian. Als Beispiel nannte er die britisch-deutsche Gamma Group. Dem Ausschuss empfahl er, sich bei Gelegenheit die Kundenlisten dieser Firmen anzuschauen.

Zum Verhältnis zwischen Telekommunikationsanbietern und Geheimdiensten in den USA sagte Soghoian, dieses sei seit jeher außerordentlich eng: „Die Telekomfirmen nehmen die Bedürfnisse der Nachrichtendienste sehr ernst und sind ihnen gewogen.“ Das habe zum Teil historische Gründe aus Zeiten, in denen Telefongesellschaften ein „Arm der Regierung“ gewesen seien. Es habe aber auch mit der starken Regulierung zu tun, der die Anbieter in den Vereinigten Staaten unterlägen. Die zuständige Bundesbehörde, die Federal Communications Commission (FCC), die jedes neue Kabel zu genehmigen habe, nutze diese Befugnis, um die Unternehmen auf maximales Entgegenkommen gegenüber Ausspähwünschen der Dienste festzulegen: „Die FCC kann sie geschäftlich fördern oder ruinieren.“

Anders liege der Fall von Internet-Unternehmen wie Google, Facebook oder Microsoft. Diese legten dem libertären Geist des Silicon Valley gemäß im Prinzip Wert auf Staatsferne. Ihnen sei aber das Treiben der Geheimdienste im Internet lange Jahre gleichgültig gewesen. Sie hätten lediglich selbst emsig die Daten ihrer Kunden gesammelt. Sie hätten wohl auch die Kosten der Investition in verlässliche Verschlüsselungstechniken gescheut. Dies habe sich erst 2013 nach den Enthüllungen des Geheimdienstkritikers Edward Snowden über die Schnüffelaktivitäten der National Security Agency (NSA) schlagartig geändert: „Egal, was die Sicherheitsleute von Google jetzt wollen, die bekommen alles.“

Für Soghoian liegt die Antwort auf rechtsstaatlich bedenklichen Überwachungseifer von Geheimdiensten nicht so sehr in neuen und schärferen Gesetzen wie in der Entwicklung effizienter und wasserdichter Verschlüsselungssoftware. „Die Regulatoren müssen mutig vorgehen und Cybersicherheit über die Bedürfnisse der eigenen Sicherheitsbehörden stellen“, forderte er vor dem Ausschuss.

Soghoian räumte ein, dass daraus ein Dilemma erwachsen könne, wenn Terroristen sich mit Methoden der Kryptographie dem Zugriff der Ermittler entzögen: „Die Politik muss eine Entscheidung treffen, wovor man mehr Angst hat, und was man stärker schützen möchte. Wollen wir eine Gesellschaft, in der keine Kommunikation vor der Polizei sicher ist, oder eine Gesellschaft, in der keine Kommunikation überwacht wird.“ Es gebe im Übrigen keine Verschlüsselungstechnik, die nicht mit einigem Aufwand doch zu knacken sei. Nur stiegen dann die Kosten, was die Behörden dazu anhalten werde, auf anlasslose Massenüberwachung zu verzichten und sich auf die wirklichen Verdachtsfälle zu konzentrieren.

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