Arbeitswelt: Gerichtshof der Europäischen Union schränkt Ausbeutung ein

15.05.2019/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, Luxemburg

Gerichtshof der Europäischen Union: EU-Mitgliedstaaten müssen die Arbeitgeber verpflichten, ein System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann

Mit seinem Urteil vom 14. Mai 2019 erklärt der Gerichtshof, dass diese Richtlinien im Licht der Charta einer Regelung entgegenstehen, die nach ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte die Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Um die nützliche Wirkung der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.
Das Verfahren wurde von der spanischen Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras (CCOO) angestrengt. Die CCOO erhob vor der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung der Deutsche Bank SAE, ein System zur Erfassung der von deren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. curia.europa.eu

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Annelie Buntenbach, Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB):
„Das Gericht schiebt der Flatrate-Arbeit einen Riegel vor – richtig so. Flexible Arbeit ist heutzutage eher die Regel statt die Ausnahme. Gerade da, wo Arbeitgeber aber eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung nicht für notwendig halten, die Interessenvertretung fehlt oder eine entsprechende Vereinbarung nicht durchsetzen kann, bleiben die Rechte der Beschäftigten viel zu oft auf der Strecke. Die Anzahl unbezahlter Überstunden bewegt sich in Deutschland deshalb seit Jahren auf einem inakzeptabel hohen Niveau. Das kommt nicht nur einem Lohn- und Zeitdiebstahl gleich – innerhalb eines Jahres wirtschaften sich die Arbeitgeber so rund 18 Milliarden Euro in die eigene Tasche – sondern kann auch ernste gesundheitliche Folgen für die Arbeitnehmerinnen und -nehmer haben. Permanenter Standby-Modus und Entgrenzung können krank machen, eine Erfassung der Arbeitszeit ist deshalb wichtig, um sie zu beschränken. Jetzt muss Deutschland eine gesetzliche Grundlage für eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung schaffen. So kann besser kontrolliert werden, ob Ruhezeiten und tägliche Höchstarbeitszeiten eingehalten werden. Die Flexibilität wird darunter absolut nicht leiden, ganz im Gegenteil: Statt mit der Stechuhr könnte man heutzutage schließlich per Smartphone und App die Arbeitszeit dokumentieren.“

Erklärung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA):
„Die Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert. Auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 kann man nicht mit einer Arbeitszeiterfassung 1.0 reagieren. Die Entscheidung darf keine Nachteile für solche Arbeitnehmer mit sich bringen, die schon heute flexibel arbeiten. Auch künftig gilt: Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer verpflichten, die von ihnen geleistete Arbeit selbst aufzuzeichnen.“

‚Mietpreisbremse‘ würde bei einer technischen Abnahme durchfallen

13.05.2019/EG
Quelle: RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, Essen

RWI-Studie: „Schon nach gut einem Jahr hat die Mietpreisbremse keinen Effekt mehr auf die Entwicklung der Mieten.“

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • „Durch die Mietpreisbremse liegen die Mieten von Wohnungen, die unter die Regulierung fallen, um durchschnittlich 2,5 Prozent niedriger als es ohne die Gesetzesänderung der Fall gewesen wäre.
  • Beispiel: Umgerechnet auf eine Dreizimmerwohnung in Berlin mit 60 Quadratmetern führt die Mietpreisbremse zu einer monatlichen Ersparnis von rund 12,50 Euro.
  • Am stärksten wirkt sich die Mietpreisbremse auf günstige Wohnungen aus: In der Beispielrechnung läge die monatliche Ersparnis bei Wohnungen im niedrigsten Preissegment bei durchschnittlich 14 Euro und bei Wohnungen mit geringer Qualität bei 21 Euro.
  • Die Mietpreisbremse wirkt lediglich kurzfristig: Ein Jahr bis anderthalb Jahre nach Inkrafttreten hat sie keinen dämpfenden Effekt mehr auf die Mietpreissteigerungen.“

Die RWI-Studie lesen Sie hier ↗rwi-essen.de.

Das RWI versteht sich als modernes Zentrum für wissenschaftliche Forschung und evidenzbasierte Politikberatung.

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Andrej Holm, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität Berlin, und Claus Schreer, Mitarbeiter des Institutes für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (ISW) und Pazifist, untersuchten die Ursachen und Alternativen zum Wohnungsmangel und zur Mietpreisexplosion: „Miet- und Steuergesetzgebung sichern optimale Profitbedingungen“

Die ISW-Studie lesen Sie hier isw-muenchen.de.

Das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (ISW), München, versteht sich als Wirtschaftsforschungs-Institut, das alternativ zum neoliberalen Mainstream Analysen, Argumente und Fakten für die wissenschaftliche und soziale Auseinandersetzung anbietet.

Mieterverein München reicht erste Musterfeststellungsklage im Mietrecht beim Oberlandesgericht München ein. mieterverein-muenchen.de

Einkommensungleichheit steigt

08.05.2019/EG
Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin

DIW-Forscher Markus M. Grabka, Jan Goebel und Stefan Liebig, untersuchten die Entwicklung der Einkommensverteilung im Zeitraum 1991 bis 2016: Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen ist seit der Finanzkrise signifikant gestiegen

„Von 1991 bis 2016 sind die verfügbaren bedarfs gewichteten Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland real im Durchschnitt um 18 Prozent gestiegen. Dieser Zuwachs fällt aber je nach Einkommensposition unterschiedlich aus. Im Ergebnis ist die Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen seit der Finanzmarktkrise gestiegen. Das zeigt die vorliegende Studie auf Basis von Daten der Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP). Die Armutsrisikoquote verbleibt im Jahr 2016 weiterhin bei einem Wert von 16,6 Prozent im Vergleich zu rund elf Prozent Mitte der 1990er Jahre. Erwerbstätigkeit allein ist nicht mehr ausreichend, um vor Einkommensarmut zu schützen. Denn geht in einem Haushalt nur eine Person einer Beschäftigung nach, so hat sich seit 1991 das Armutsrisiko für diesen Haushaltstyp verdoppelt. Insbesondere in städtischen Regionen hat die Zahl der Niedrigeinkommensbezieher stark zugenommen. Will man dem entgegensteuern, so bedarf es unter anderem höherer Lohnabschlüsse oder eines Zurückdrängens von Minijobs. Daneben fehlt es zunehmend an bezahlbarem Wohnraum, so dass auch der Bau von preiswertem Wohnraum in den Fokus der Politik rücken sollte.“ diw.de

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„Deutschland weist im internationalen Vergleich den zweithöchsten Anteil an Menschen ohne Ersparnisse auf. 31 Prozent der Befragten gaben hierzulande an, dass ihr Haushalt über keinerlei Sparreserven verfügt.“ ing-diba.de

Europäische Kommission zu den Ungleichgewichten in Deutschland: „Reallohnanstieg ist nach wie vor bescheiden“ ec.europa.eu

Bundesbank stellt hohe Ungleichheit fest

15.04.2019/EG
Quelle: Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main

Bundesbank-Studie „Private Haushalte und ihre Finanzen“: Ungleichheit bleibt hoch

„Die Fachleute der Bundesbank untersuchten auch die Ungleichheit in Deutschland. „Nach wie vor ist Deutschland ein Land, in dem die privaten Vermögen ungleich verteilt sind“, schreiben sie in dem Bericht. Dies lässt sich unter anderem am Anteil ablesen, der den reichsten zehn Prozent der privaten Haushalte gehört. Dazu zählen Haushalte, die im Jahr 2017 mindestens 555.400 Euro Nettovermögen besaßen. Diese Gruppe nannte 2017 in Deutschland etwa 55 Prozent des gesamten Nettovermögens ihr Eigen.“ bundesbank.de

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Geldvermögen der privaten Haushalte übersteigen im dritten Quartal 2018 erstmals 6 Billionen Euro (+ 4,5 % gegenüber III/2017) bundesbank.de

Im Jahr 2018 hatten rund 4,1 Millionen Personen (2017: 3,95 Mio.), zumindest in Teilen ihres zu versteuernden Einkommes, ein gemäß dem Spitzensteuersatz pflichtiges Einkommen. bundestag.de (siehe Punkt 13)

Die Entwicklung des Geldvermögens der privaten Haushalte, im Zeitraum 2004 bis 2018, sehen sie hier ↗bundesbank.de.

Einkommen und soziale Situation beeinflussen zunehmend die Lebenserwartung

13.04.2019/EG
Quelle: Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Georg Wenau, Pavel Grigoriev und Vladimir Shkolnikov, Forscher am Max-Planck-Institut untersuchten den Einfluss von Einkommen auf die Lebenserwartung: „Wer eine kleine Rente bekommt, stirbt im Schnitt fünf Jahre früher als sehr gut situierte Rentner.“

„Die Lebenserwartung von Arm und Reich klafft in Deutschland immer weiter auseinander. Das lässt sich besonders deutlich an den erworbenen Rentenpunkten und der Lebenserwartung älterer Männer zeigen. So hatten 65-Jährige mit sehr hohen Altersbezügen im Jahr 2005 eine durchschnittliche verbleibende Lebenserwartung von knapp 19 Jahren. Das unterste Einkommens-Fünftel dagegen erreichte den 80. Geburtstag in der Regel nicht mehr. Ihnen verblieben nach dem 65. Geburtstag im Durchschnitt nur mehr knapp 15 Jahre – also vier Jahre weniger. Bis zum Jahr 2016 vergrößerte sich dieser Unterschied weiter auf über fünf Jahre, während er 1997 noch bei ungefähr drei Jahren gelegen hatte.“ ↗demogr.mpg.de