16.01.2021/EG
Quelle: Bundesrechnungshof, Bonn
Bundestagsfraktionen erhalten jährlich 120 Millionen Euro ohne effektive Kontrolle
Zusammenfassung aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes:
„Die Fraktionen des Deutschen Bundestages (Fraktionen) erhalten jährlich 120 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt. Diese Mittel sind zweckgebunden. Aber: Auch wenn die Fraktionen die Mittel zweck- und damit rechtswidrig verwenden, bleibt dies regelmäßig ohne Folgen. Denn es gibt strukturelle Defizite im Kontroll- und Sanktionssystem. Diese Defizite stellen die verfassungsrechtliche Legitimation des Systems der Fraktionsfinanzierung in Frage.
Grund für die Kontroll- und Sanktionsdefizite sind Regelungslücken. In wichtigen Be-reichen ist nicht geklärt, wofür genau die Fraktionen ihre Mittel verwenden dürfen. Unklar ist insbesondere, wie eine zulässige Unterrichtung der Öffentlichkeit von einer unzulässigen Parteiwerbung abzugrenzen ist. Die dynamische Entwicklung der sozialen Medien verschärft dieses Problem. Zwar hat der Gesetzgeber seit dem Jahr 1995 Ausführungsbestimmungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraktionen vorgesehen. Diese wurden jedoch bislang nicht erlassen. Zudem fehlt eine Regelung im Gesetz, um Fehlverhalten zu sanktionieren – es bleibt damit ohne Konsequenzen. (Nummer 2)
Ohne einheitliche und verbindliche Vorgaben für die Fraktionen fehlt ein allgemein anerkannter Maßstab für Prüfungen des Bundesrechnungshofes. Stellt der Bundes-rechnungshof Mängel fest, bleibt dies regelmäßig folgenlos. Denn den Fraktionen drohen keinerlei Sanktionen. Zweckwidrig verwendete Mittel müssen sie noch nicht einmal zurückzahlen. Eine effektive Kontrolle der Fraktionsmittel ist damit nicht sichergestellt. (Nummer 3)
Der Bundesrechnungshof hält es daher für erforderlich,
- Regelungslücken zu schließen und die im Gesetz vorgesehenen Ausführungsbestimmungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung der Fraktionen zu erlassen,
- dabei insbesondere Art und Umfang einer zulässigen Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die Fraktionen verbindlich zu regeln und
- die gesetzlichen Grundlagen für eine Rückforderung zweckwidrig verwendeter Fraktionsmittel sowie weitere Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen. (Nummer 4)“
Den Bericht lesen Sie hier ↗bundesrechnungshof.de.
Die Stellungnahme von Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes, lesen Sie hier ↗bundesrechnungshof.de.
Zum Thema
Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen
„Die dafür ausgegebenen Steuergelder sind in den vergangenen drei Jahrzehnten gestiegen: Allein die aus dem Bundeshaushalt den parteinahen Stiftungen jährlich zufließenden Mittel wurden im Zeitraum von 1990 bis 2017 von damals 260.323.000 DM auf 581.428.000 Euro erhöht, (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion vom 23.01.2018, Drucksache 19/503) d. h. nominal um das 4,5 fache. Selbst bei Berücksichtigung der Inflation handelt es sich dabei real um mehr als eine Verdreifachung des Geldzuflusses. Dieser Zuwachs bewegt sich außerhalb aller Vergleichbarkeit etwa von Steige-rungen des Haushaltsvolumens des Bundes, des allgemeinen Wirtschaftswachstums oder anderer angemessen heranziehbarer Kenngrößen. Im Gegensatz zur Parteienfinanzierung nach dem Parteiengesetz, für die eine „absolute Obergrenze“ (§ 18 Abs. 2, § 19a Abs. 5 PartG) und „relative Obergrenzen“ (§ 18 Abs. 5, § 19a Abs. 5 PartG) festgelegt sind, gibt es für die parteinahen Stiftungen das 3,6-fache an Steuergeld aufgebracht wie für die staatliche Parteienfinanzierung. Dies hat zuletzt der Bund der Steuerzahler gerügt (Die Welt vom 12.2.2018, „Parteinahe Stiftungen kosten Steuerzahler 581 Millionen“). Die Mittel, welche die parteinahen Stiftungen aus dem Bundeshaushalt bekommen, sind zudem auf eine Vielzahl von Einzeltiteln verteilt. (…). Im Unterschied zur Regelung der Parteienfinanzierung, für die detaillierte gesetzgeberische Regelungen im Parteiengesetz danach geschaffen wurden, welche sich in hohem Maße an die Empfehlungen der Kommission angelehnt haben, gibt es ein solches Gesetz zur Regelung der Institution „parteinaher Stiftungen“ und ihrer Finanzierung bis heute nicht.
Um die „rechtliche Grauzone“ zu beseitigen, ist es daher verfassungsrechtlich geboten, dem Status und dem Finanzierungssystem der sogenannten parteinahen Stiftungen eine rechtliche Grundlage zu geben – also ein Gesetz zu verabschieden, welches das Recht der parteinahen Stiftungen hinsichtlich ihres rechtlichen Status und der Finanzierung mit Haushaltsmitteln des Bundes regelt.“
Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der AfD (Antragsteller) abgelehnt. ↗bundestag.de
Namentliche Abstimmung zum Bundeswahlgesetz (Größe des Bundestages) ↗bundestag.de.
„Niemand versteht, warum Spenden erst ab 10.000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien auftauchen – und dass, sofern sie unter 50.000 Euro bleiben, erst eineinhalb Jahre später. In einem Wahljahr müssen insbesondere die Daten zur Wahlkampffinanzierung zeitnah veröffentlicht werden. Es gibt zudem zu viele Möglichkeiten, die Veröffentlichungspflichten durch Stückelung der Beträge zu umgehen – das haben sicher auch einige ehemalige Großspender erkannt.“
Größter Profiteur (Stand: 27.12.2020) ist die CDU mit neun Spenden über 50.000 Euro, die sich zu einer Gesamthöhe von fast 876.000 Euro summieren. FDP und AfD jeweils eine Spende über 50.000 Euro. ↗transparency.de
Beispiele privilegierter Finanzierungsformen von Parteien:
- die staatliche Teilfinanzierung (Erstattung der Wahlkampfkosten)
- steuerliche Begünstigungen von ‘Kleinspenden‘
- steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen
- steuerliche Begünstigung von Mandatsträgerabgaben
- öffentliche Mittel für die Arbeit von Parlamentsfraktionen
- staatliche Unterstützung parteinaher Stiftungen
- kostenlose Sendezeiten für Wahlwerbung (inkl. Gesprächsrunden und Interviews)
- kostenlose Bereitstellung von Werbeflächen (inkl. Presseberichte und -fotos)
- Entscheidung über die (eigenen) Diäten sowie andere Ämter und hohe Posten in der Justiz und Verwaltung („Gesetzgeber in eigener Sache“)