Reichtum und Verteilung: Defizite in der Medienberichterstattung erforscht

26.10.2020/EG
Quelle: Otto Brenner Stiftung, Frankfurt am Main

Andrea Grisold, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Wirtschaftsuniversität Wien, und Hendrik Theine, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Wirtschaftsuniversität Wien, untersuchten den von Massenmedien erzeugten Eindruck zur Vermögens- und Erbschaftssteuer

Zusammenfassung und Fazit (siehe Seite 59):

„1. Insgesamt gibt es nur wenig Berichterstattung zu diesem gesellschaftlich sehr relevanten Thema.

2. Der Fokus der Berichterstattung liegt für alle Zeitungen auf der (partei)politischen Ebene und dort oftmals auf politischen Kontroversen; die (polit-)ökonomische Ebene als Aspekt einer Hintergrundberichterstattung wird dagegen wenig thematisiert.

3. (Ökonomische) Expertise stützt sich auf AkteurInnen aus dem politiknahen Bereich (z. B. Stiftungen) sowie der (politikferneren) Wissenschaft. Beide Bereiche sind jedoch miteinander und mit dem politischen Feld (Parteien) verwoben und es lassen sich Cluster identifizieren, deren „Mitglieder“ sich anhand ihrer Pro- oder Kontra-Haltung zur Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung gruppieren. Über alle drei Bereiche hinweg gilt, dass AkteurInnen, die einer Wiedereinführung der Vermögensbesteuerung und/oder einer Erhöhung der Erbschaftssteuer ablehnend gegenüberstehen, in fast allen untersuchten Medien deutlich vorherrschend sind.

4. In der Wissenschaft geht diese Dominanz in den meisten der untersuchten Zeitungen mit einem Überhang an ordoliberalen und mainstreamökonomischen Positionen einher. Eine paradigmatische Vielfalt in der Darstellung der volkswirtschaftlichen Expertise ist nur sehr eingeschränkt gegeben.“

Die Studie lesen Sie hier otto-brenner-stiftung.de.

Zum Thema

Einen Einblick in die Vermögensverteilung in Deutschland lesen Sie

  • auf Seite 45 im „Global wealth report 2020“ der Credit Suisse credit-suisse.com.

und

  • in unserem Beitrag vom 19.10.2020 „Geldvermögen privater Haushalte erreicht 6,63 Billionen Euro“.

Thomas Piketty, Wirtschaftswissenschaftler an der Pariser Elitehochschule École des Hautes Études en Sciences Sociales, im Gespräch über Ungleichheit und Ideologie hören und lesen Sie hier deutschlandfunk.de.

Arbeitswelt: Behinderung von Betriebsräten

26.10.2020/EG
Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf

Alrun Fischer, Betriebsräte-Beraterin und Inhaberin der AFB, Markus Hertwig, Sozialwissenschaftler an der Technischen Universität Chemnitz, Sissy Morgenroth wissenschaftliche Mitarbeiterin bei AFB, Oliver Thünken, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Chemnitz, untersuchten die Strategien von Arbeitgebern zur Abwehr betrieblicher Mitbestimmung

„Die Motivlagen der Arbeitgeber, gegen Betriebsräte oder Gewerkschaften zu agitieren, sind vielfältig. Prominent, weil auch in Medien z.T. offensiv vertreten, ist eine ideologisch verbrämte Totalverweigerung: Aus Sicht einiger Unternehmer macht die Mitbestimmung es (ihnen) unmöglich, ein Unternehmen (wirtschaftlich erfolgreich) zu führen. Unser Arbeitgebertypus des »strategischen Verhinderns von Mitbestimmung« (vgl. Kapitel 5) charakterisiert die Facetten dieser Orientierung recht anschaulich. Die Verweigerungshaltung entlädt sich in harten, strategisch geplanten Maßnahmen gegen Betriebsräte, Gewerkschaften und Individuen, die z.T. enorme Ressourcen verschlingen – darunter Zeitressourcen und innerbetriebliche Kosten, aber auch horrende Ausgaben für Union-Busting-Anwälte und Gerichtsverfahren…“ (Auszug von Seite 215)
Die Studie lesen Sie hier ↗transcript-verlag.de.

Buchtipp: Der Dschungel

23.10.2020/EG

Upton Sinclair: Der Dschungel

Roman (Arbeitswelt, Kapitalismus, Politik)

„Der litauische Einwanderer Jurgis Rudkus kommt mit seiner Verlobten um 1900 nach Amerika, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wie viele andere findet auch er Arbeit in den Schlachthöfen Chicagos, doch die Hygiene- und Sicherheitsstandards sind so niedrig, die Anforderungen so hoch und die Bezahlung so erbärmlich, dass die Immigranten kaum eine Chance auf ein vernünftiges Leben haben.
Nachdem seine Familie durch mehrere Tragödien zerstört wird und ihre Existenz verliert, ist er gezwungen, auf illegalen Wegen Geld zu verdienen. Nach und nach erkennt er die Notwendigkeit, für Reformen und ein besseres Leben zu kämpfen.“

Parität könnte auch im Wahlrecht geschaffen werden

23.10.2020/EG
Quelle: Verfassungsblog, Berlin

Jelena von Achenbach, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Gießen, Frauke Brosius-Gersdorf, Rechtswissenschaftlerin an der Leibnitz-Universität Hannover, Christine Hohmann-Dennhardt, ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, Renate Jaeger, ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, Silke Laskowski, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Kassel, Rita Süssmuth, ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages, und Friederike Wapler, Rechtswissenschaftlerin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zur Chancengleichheit für Frauen bei Wahlen

„Aktuell wird unter dem Stichwort „Parité“ über Klauseln im Wahlrecht debattiert, mit denen die Chancengleichheit für Frauen bei der Wahl zu den Parlamenten verbessert und auf eine gleichmäßige Verteilung politischer Mandate auf Frauen und Männer hingewirkt werden soll. (…).
Es ist daher eine politische Entscheidung, geschlechterparitätische Regelungen im Wahlrecht vorzusehen und sie auszugestalten. Dies kann und muss in der Öffentlichkeit und in den Parlamenten diskutiert werden…“
Die Stellungnahme lesen Sie hier verfassungsblog.de.

Steuervermeidung: Aufklärung zwischen fernen Konten und nahen Informationsquellen

21.10.2020/EG
Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin

Jakob Miethe, Wirtschaftswissenschaftler am Center for Economic Studies (CES) der Ludwig-Maximilians-Universität München, untersuchte die Finanzaktivitäten auf Schattenfinanzplätzen und stellt den Nutzen der Verfolgung und Regulierung vor Ort in Frage

„Wenn sich die Ergebnisse dieser Studie in weiterer Forschung bestätigen, könnten die beeindruckenden Koordinierungsmaßnahmen der OECD bei der multilateralen Bekämpfung von Finanzkriminalität Gefahr laufen, einen unnötigen Umweg zu nehmen. Selbst wenn die jeweilige Behörde am Offshore-Finanzplatz gewillt ist, Daten an die anfragende Stelle zu übermitteln, so ist die wahrheitsgemäße Übermittelung von Daten seitens des Finanzdienstleisters von den Behörden auf der Insel weder überprüfbar noch durchsetzbar, da die Dienstleistung höchstwahrscheinlich nicht einmal in deren Hoheitsgebiet erbracht wurde. Vereinfacht gesagt versuchen beispielsweise deutsche SachbearbeiterInnen Informationen über ein Finanzkonstrukt – welches möglicherweise wenige Häuser weiter in Frankfurt konstruiert und betreut wird – mit Hilfe der Behörden einer kleinen Insel auf der anderen Seite des Globus zu bekommen.

Der Fall Wirecard steht exemplarisch für diese Problematik: Obwohl umfangreiche Informationen zu den Beteiligten und ihren Vergehen offengelegt wurden, scheitert die Aufklärung des Falls unter anderem am Versuch, die relevanten Finanzströme über Schattenfinanzplätze nachzuvollziehen. Dabei befinden sich die potentiellen TäterInnen, die mit der Wirtschaftsprüfung beauftragte Kanzlei sowie die Behörden, die den Fall aufklären sollen, eben nicht in Mauritius, wo einigen Berichten zufolge Kapital gebucht wurde, sondern in Deutschland.“

Die Studie lesen Sie hier diw.de.

Zum Thema

Die Wirtschaftswissenschaftler Thomas Tørsløv (University of Copenhagen), Ludvig Wier (University of Copenhagen), Gabriel Zucman (University of California Berkeley) untersuchten die weltweite Steuervermeidung multinationaler Unternehmen: Unter Ausnutzung dieser unterschiedlichen Profitabilität schätzen die Forscher, dass fast 40% der Gewinne, geschätzt über 700 Milliarden USD, von multinationalen Unternehmen jedes Jahr weltweit in Steueroasen verlagert werden. Für Deutschland würden die Berechnungen den Verlust in Höhe von etwa 26 % der Körperschaftssteuereinnahmen pro Jahr vermuten. Die Studie lesen Sie hier nber.org

Forscher des Internationalen Währungsfonds untersuchten die Phantominvestitionen von inaktiven Unternehmen (Briefkastenfirmen) in Steueroasen / Luxemburg beherbergt ausländische Direktinvestitionen (FDI) in Höhe von rund vier Billionen US-Dollar / Multinationale Unternehmen nutzen Schlupflöcher im irischen Recht aus, indem sie innovative Steuertechniken mit kreativen Spitznamen wie „Doppel-Irisch mit einem holländischen Sandwich“ einsetzen, die Gewinntransfers zwischen Tochtergesellschaften in Irland und den Niederlanden mit Steueroasen in der Karibik als typischem Endziel beinhalten. Mit diesen Taktiken werden noch niedrigere Steuersätze erreicht oder Steuern ganz vermieden. ↗imf.org