‘Krankheitserreger‘ in der Gesundheitspolitik

19.06.2020/EG
Quellen: siehe Angaben

RWI „Krankenhaus Rating Report 2020“: Wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich weiter verschlechtert

„Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2018 weiter verschlechtert. 13 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 64 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen noch 11 Prozent im „roten Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2018 ebenfalls verschlechtert: 29 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2017 waren es noch 27 Prozent.
Ausschlaggebend für die schlechtere wirtschaftliche Lage dürfte u.a. der erneute Rückgang der stationären Fallzahl im Jahr 2018 um 0,1 Prozent gewesen sein. Gründe hierfür könnten der zunehmende Fachkräftemangel und intensivere Prüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sein, verbunden mit einer zunehmenden Ambulantisierung der Medizin. Im Jahr 2019 ist mit einer weiteren Reduktion der stationären Fallzahl zu rechnen.“ ↗rwi-essen.de

(Wirtschafts-)Rating: „bonitätsmäßige Einstufung von Ländern, Banken, Firmen o. Ä. in ein Klassifikationssystem“ (Quelle: Duden)

Zum Thema

April 1991
Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze, kurz Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG)
§ 12 Förderung von Vorhaben zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen
(1) „Zur Förderung von Vorhaben der Länder zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung wird beim Bundesamt für Soziale Sicherung aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ein Fonds in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro errichtet (Strukturfonds). (…). Zweck des Strukturfonds ist insbesondere der Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von stationären Versorgungsangeboten und Standorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen…“ gesetze-im-internet.de

Mai 2013
„Seit Jahren reduzieren die meisten Länder kontinuierlich die im Landeshaushalt eingestellten Investitionsmittel. Im Jahr 2011 fehlten im Krankenhaussektor rund 723 Mill.€ an Investitionszahlungen (in Preisen von 2011), um die bestehende, öffentlich geförderte Infrastruktur zu erhalten. (…). Kernursache des Rückgangs der Investitionsmittel ist die hohe Abhängigkeit der Krankenhausfinanzierung von der finanziellen Gesamtlage des jeweiligen Landes. Um die immer stärker drückende Zinslast in den Landeshaushalten bedienen zu können, sind die Krankenhausinvestitionsmittel zum „Steinbruch“ [PITSCHAS(2012)] für die Haushaltskonsolidierung geworden.“ ifo.de

April 2017
„Im Vergleich zum Jahr 1991 sanken die Fördermittel bis 2015 nominal um circa 23 Prozent, während das Bruttoinlandsprodukt im selben Zeitraum um 92 Prozent anstieg und sich die bereinigten Kosten der Krankenhäuser um circa das 2,25-fache erhöhten, …“ aerzteblatt.de

August 2017
Finanzierungsfundament der Krankenhäuser ist porös zweitlese.de

Dezember 2017
Aufgrund des Ökonomisierungsdrucks sah sich die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin genötigt, folgenden Codex zu veröffentlichen:
„Die Ärzteschaft gerät in der Patientenversorgung zunehmend unter Druck, ihr Handeln einer betriebswirtschaftlichen Nutzenoptimierung in Klinik und Praxis unterzuordnen…“ hartmannbund.de

Juli 2019
„Mit weniger als der Hälfte der Krankenhäuserwären Patienten in Deutschland besser versorgt“
„In der Bundesrepublik Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser. Eine starke Verringerung der Klinikanzahl, von aktuell knapp 1.400 auf deutlich unter 600 Häuser, würde die Versorgungsqualität für Patientenverbessern und bestehende Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern. Das zeigt eine neue Studie inklusive Modellberechnung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.“
„Folgende Experten waren an der Diskussion über die als notwendig erachtete Veränderung der Krankenhausstrukturen in Deutschland und der Entwicklung eines Zielbildes für die als sinnvoll und wünschenswert erachteten Veränderungen der deutschen Krankenhausstrukturen beteiligt:
Dr. Martin Albrecht, IGES Institut, Berlin
Prof. Dr. Boris Augurzky, RWI – Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
Prof. Dr. Andreas Beivers, Hochschule Fresenius für Wirtschaft und Medien
Prof. Dr. Reinhard Busse, Technische Universität Berlin
Prof Dr. Max Geraedts, Philipps-Universität Marburg
Dr. Matthias Gruhl, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg (zum 02.11.2018 mit der Ernennung zum Staatsrat ausgeschieden)
Dr. Stefan Loos, IGES Institut, Berlin
Dr. Uwe Preusker, internationaler Gesundheitsexperte, Helsinki
Prof. Dr. Bernt-Peter Robra, Universität Magdeburg
Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Hamburg Center for Health Economics“

Die entsprechende Pressemitteilung lesen Sie hier bertelsmann-stiftung.de.

Juli 2019
Roland Berger Krankhausstudie 2019 „Deutschlands Krankenhäuser zwischen Kostendruck und steigendem Wettbewerb“
„Das wirtschaftliche Ergebnis hat bei Entscheidern in Krankenhäusern die größte Aufmerksamkeit. Um das Ergebnis zu verbessern werden Maßnahmen zur Erlössteigerung sowie zur Kostensenkung, darunter auch Senkung der Personalkosten, verfolgt.“ ↗rolandberger.com (Seite 8)

Dezember 2019
Krankenhaus Barometer 2019 des Deutschen Krankenhausinstitutes: Der ökonomische Einfluss ist für 77 Prozent der befragten Krankhäuser sehr stark oder ziemlich stark (Seite 88). ↗dki.de

April 2020
„Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens, hat private Krankenhausträger dafür kritisiert, dass sie der Bitte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht sofort nachgekommen sind, planbare Leistungen zu verschieben.“ aerzteblatt.de

März 2020
Die Folgen von Kostensenkungsprogrammen und Privatisierungen im Gesundheitswesen in Großbritannien lesen Sie hier aerzteblatt.de.

Mai 2020
„Die Anstalt“ zum Mythos „Privatisierung = Kostensenkung“ ↗zdf.de
„Die Anstalt“ klärt das Krankenhaussystem à la Bertelsmann auf ↗zdf.de.

Die verantwortlichen Regierungskoalitionen:

  • seit März 2018: CDU/CSU/SPD (Koalitionsverhandlungen dauerten 171 Tage)
  • 2013 bis 2017: CDU/CSU/SPD
  • 2009 bis 2013: CDU/CSU/FDP
  • 2005 bis 2009: CDU/CSU/SPD
  • 2002 bis 2005: SPD/DIE GRÜNEN (Einführung der „Hartz-IV-Gesetze“)
  • 1998 bis 2002: SPD/DIE GRÜNEN
  • 1982 bis 1998: CDU/CSU/FDP

Ergänzung am 21.06.2020:

Januar 1993
Das Gesundheitsstrukturgesetz mit Sonderentgelten und Fallpauschalen tritt in Kraft. Die Ökonomisierung medizinischer Leistungen wird eingeleitet. ndr.de

Einblicke in die Fälle von Nebenwirkungen durch Fallpauschalen lesen Sie hier aerzteblatt.de

November 2019
Studie „Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand junger Ärzte und professionell Pflegender in deutschen Krankenhäusern“ springer.com

Buchtipp: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus

19.06.2020/EG

Shoshana Zuboff: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus

Sachbuch (Digitalisierung, Kapitalismus, Künstliche Intelligenz, Ökonomie, Politik)

„Die Menschheit steht am Scheideweg, sagt die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff. Bekommt die Politik die wachsende Macht der High-Tech-Giganten in den Griff? Oder überlassen wir uns der verborgenen Logik des Überwachungskapitalismus? Wie reagieren wir auf die neuen Methoden der Verhaltensauswertung und -manipulation, die unsere Autonomie bedrohen? Akzeptieren wir die neuen Formen sozialer Ungleichheit? Ist Widerstand ohnehin zwecklos?

Flüchtlingsdebatte: Weltweit sind rund 80 Millionen Menschen auf der Flucht

18.06.2020/EG
Quelle: Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Genf

UNHCR-Jahresbericht „Global Trends“: 6,6 Millionen Menschen aus Syrien, 3,7 Millionen aus Venezuela, 2,7 Millionen aus Afghanistan, 2,2 Millionen aus dem Südsudan und 1,1 Millionen aus Myanmar mussten das eigene Land verlassen

Nach Berechnungen des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen waren im vergangenen Jahr 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon flüchteten 29,6 Millionen Menschen in ein anderes Land und 45,7 Millionen Menschen innerhalb ihres eigenen Landes.
Für Deutschland werden 1.146.685 Flüchtlinge gemeldet. Das sind 82.848 mehr als im Jahr zuvor. Das geht vor allem auf Menschen zurück, die schon in Deutschland waren und deren Fälle nun bearbeitet sind. Die Zahl der Asylsuchenden sank dementsprechend um fast genau 60.000 von 369.284 auf 309.262.
International leben die meisten Flüchtlinge in der Türkei mit 3,6 Millionen, gefolgt von Kolumbien mit 1,8 Millionen, Pakistan sowie Uganda mit jeweils etwa 1,4 Millionen und Deutschland mit 1,1 Millionen.

Zum Thema

Aufnahme und Integration von Schutz- und Hilfesuchenden verursachte 2019 Ausgaben in Höhe von 14,7 Milliarden Euro (63,6 % der Ausgaben) und weitere 8,4 Milliarden Euro (36,4 %) für die Bekämpfung der Fluchtursachen im Ausland. Den Bericht lesen Sie hier bundestag.de.

Daten zu Asylanträgen, Herkunftsländer, usw. lesen Sie hier mediendienst-integration.de.

Faktenblatt zur Einwanderung in Deutschland svr-migration.de.

Karte der Konflikte (Kriege) bpb.de.

Rekorde bei ‘Investitionen‘ in Tötungs- und Zerstörungsprodukte sipri.org.

Video-Tipp: „Wert der Arbeit“

18.06.2020/EG
Quelle: Gemeinschaftssender 3sat, Mainz

TV-Format „makro“ mit einem Beitrag über den realen Wert systemrelevanter Leistung

Die Erinnerung an die „Helden des Alltags“ verblasst. Die Zeit ist gekommen, um nach der bleibenden Wertschätzung für die Arbeitnehmer zu fragen. Wie nachhaltig ist der Applaus? 3sat.de

Zum Thema

Neben der bezahlten (Erwerbs-)Arbeit gibt es Tätigkeiten, die unbezahlt bleiben: Haus- und Fürsorgearbeiten. In der Studie „Wer leistet unbezahlte Arbeit?“ lesen Sie dazu mehr boeckler.de.

Leben auf Grundsicherungsniveau

15.06.2020/EG
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), Nürnberg

IAB-Wissenschaftler Sebastian Bähr, Corinna Frodermann, Jens Stegmaier, Nils Teichler und Mark Trappmann untersuchten die Lebensverhältnisse von Menschen in der Grundsicherung

„Neben den direkten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen werden auch die sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie unsere Gesellschaft längere Zeit beschäftigen. Auch die sozialen Folgen zunehmender Arbeitslosigkeit sind noch nicht absehbar. Dies wiederum wird stark vom Ausmaß und der Dauer der verhängten Kontaktbeschränkungen abhängen.
Für Haushalte in der Grundsicherung waren die Folgen der Krise schon bislang besonders schwer zu bewältigen. Zum einen sind sie häufiger alleinlebend oder alleinerziehend, wodurch das Risiko sozialer Isolation steigt. Zum anderen fehlen ihnen häufiger andere wichtige Ressourcen für den Umgang mit der Krise. So besitzen sie seltener einen Computer mit Internetanschluss oder ein Auto, leben häufiger in beengten Wohnverhältnissen und bewerten auch ihre Wohnumgebung schlechter als Menschen, die nicht auf die Grundsicherung angewiesen sind.
Die Corona-Krise trifft also die ökonomisch ohnehin schwächeren Gruppen in besonderer Weise. Das kann langfristig auch mit gesamtgesellschaftlich problematischen Folgen verbunden sein. Der Sozialforschung kommt die Aufgabe zu, möglichst frühzeitig Daten zu den sozialen Folgen der Corona-Krise und damit empirische Entscheidungshilfen für die Politik bereitzustellen.“ ↗iab-forum.de