Buchtipp: Private Regierung

22.02.2019/EG

Elizabeth Anderson: Private Regierung
Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden)

Sachbuch (Arbeitswelt, Demokratie, Gesellschaft, Markt, Politik, Ungleichheit, Wirtschaft)

Als Adam Smith und andere die Theorie freier Märkte entwickelten, war das ein progressives Projekt: Die Freiheit der Märkte sollte auch zur Befreiung der Lohnabhängigen führen – von den Zwängen obrigkeitsstaatlicher Strukturen, vor allem aber von der Gängelung durch die Arbeitgeber. In ihrem furiosen Buch zeigt Elizabeth Anderson, was aus dieser schönen Idee geworden ist: reine Ideologie in den Händen mächtiger ökonomischer Akteure, die sich in Wahrheit wenig um die Freiheit und die Rechte von Arbeitnehmern scheren.

Bereits die Industrielle Revolution hat den vormals positiven Zusammenhang zwischen freiem Markt und freiem Arbeiter aufgelöst, wie Anderson im ideengeschichtlichen Teil ihrer Untersuchung darlegt. Im nächsten Schritt bestimmt sie die gegenwärtige Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern neu: als eine von Regierungen und Regierten, wobei diese »Regierungen« private sind und quasi autokratisch herrschen können. Das Nachsehen haben die Beherrschten, nämlich die Arbeitnehmer, wie Anderson anhand zahlreicher Beispiele belegt. In beeindruckender Gedankenführung und stilistisch brillant dekonstruiert sie einen Mythos des Marktdenkens. Ein Glanzstück der Ideologiekritik.

Arbeit auf Abruf mit neuen Regeln und alten Problemen

21.02.2019/EG
Quelle: Blog MIESE JOBS, Essen

Markus Krüsemann, Soziologe und Mitarbeiter am Institut für Regionalforschung in Göttingen, über die Lücken im neuen Teilzeit- und Befristungsgesetz / Zahl der betroffenen Erwerbstätigen in Deutschland: 1,8 bis 2,8 Millionen Menschen

„In Deutschland ist die Arbeit auf Abruf seit 1985 erlaubt und zunächst im Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG), seit 2001 dann in § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (hier: TzBfG in der Fassung bis 31.12.2018) rechtlich geregelt worden.
(…).
Die grundsätzlichen Probleme, die Arbeit auf Abruf für die Beschäftigten mit sich bringt, werden durch die engere Regelsetzung erst gar nicht angetastet. Einkommensunsicherheit und unzureichende Planbarkeit des Alltags bleiben auch in Zukunft stete Begleiter, und für die überdurchschnittlich ausgeprägte Arbeits- und Lebensunzufriedenheit sowie für das Problem der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die Abrufarbeit mit ihren hohen und sehr spezifischen Arbeitsbelastungen hervorruft, bietet sie ebenfalls keine Lösung.“ miese-jobs.de

Konkurrent China im Fokus der Willigen

21.02.2019/EG
Quelle: Der Tagesspiegel, Berlin

Harald Schumann, Journalist, über die Kampagne gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei

„… anders als im Fall Huawei sind entsprechende Vorwürfe gegen Google, Apple & Co nicht nur Theorie. Seit den Enthüllungen des Ex-Agenten Edward Snowden ist bewiesen, dass insbesondere der globale Abhör-Dienst NSA im großen Stil von diesem Zugriffsrecht Gebrauch macht. Besonders eifrig zu Diensten ist dabei ausgerechnet der Microsoft-Konzern, also jenes Unternehmen, mit dessen Software alle staatlichen Verwaltungen in der EU operieren. So beschreibt ein Memo vom 8. März 2013 detailliert, dass Microsoft den US-Behörden sogar unbegrenzten Zugang zum „Cloud“- Dienst des Konzerns verschaffte, jenen Datenspeichern, in die viele Unternehmen ihre IT auslagern.“ tagesspiegel.de

Zum Thema

Robert Hannigan, ehemaliger Direktor der Agentur für Signalaufklärung und Kryptographie am Government Communications Headquarters (GCHQ) , habe in seiner Amtszeit  (November 2014 bis April 2017) keine Hinweise auf Cyberaktivitäten durch Huawei gefunden golem.de.

Den Aktienkurs des US-Netzwerkausrüsters Cisco Systems, einem direkten Konkurrenten von Huawei, sehen Sie hier onvista.de.

Thomas de Maizière, 2013 bis 2018 Bundesminister des Innern, im April 2014: „Wenn zwei Drittel dessen, was Edward Snowden vorträgt oder was unter Berufung auf ihn als Quelle vorgetragen wird, stimmen, dann komme ich zu dem Schluss: Die USA handeln ohne Maß.“ ↗bmi.bund.de

Informationen zur 5G-Mobilfunktechnik lte-anbieter.info.

Frankreich: Ähnlichkeiten mit Symptomen anderer Länder sind rein zufällig?

19.02.2019/EG
Quelle: Werner Vontobel, Wirtschaftswissenschaftler und Publizist, Adliswil (Schweiz)

„Im globalen Markt müssen die Unternehmen nicht einmal für das Existenzminimum aufkommen.“

„Wer dereinst das Ende der globalisierten Marktwirtschaft verstehen, will, muss in Frankreich ansetzten. (…). Beginnen wir mit der offensichtlichsten Schwäche, die selbst Ökonomen eigentlich auffallen müsste: Die globalisierte Marktwirtschaft verteilt ihre Beute so, dass das System nicht lange überleben kann. In Deutschland etwa kassieren die reichsten 10% der Haushalte, gemäß der World Inequality Database, 40,3% aller Einkommen vor Steuern ….
(…)
Mit einem Mindestlohn, …, schafft man keine Nachfrage.
(…)
Ein zweiter stotternder Jobmotor der globalisierten Wirtschaft ist die „Flexibilisierung“. Sie sorgt dafür, dass wir immer weniger Zeit zum Kochen, Einkaufen, Kinderhüten etc. haben. Da trifft es sich gut, dass die Regierung die tiefen Löhne (wie Macron) von den Soziallasten befreit und so einen Markt für Millionen von Pizzakurieren, Nannys, Schuhputzer, Taxidienste etc. schafft. In Deutschland sind auf diese Weise zwischen 1992 und 2013 rund 13 Milliarden unbezahlte in (mies) bezahlte Arbeit umgewandelt worden. Das entspricht etwa einem Fünftel aller bezahlten Arbeit.“ ↗werner-vontobel.ch

Zum Thema

Chantal Delsol, Historikerin und Philosophin an der Universität Marne-La-Vallée:
„Die revolutionsähnlichen Samstage, die wir seit zwei Monaten erleben, sind Ausdruck der Wut einer Bevölkerung, die realisiert, dass enorme Steuern erhoben werden, um diese Sonderregelungen für eine kleine Schicht Privilegierter zu finanzieren.“ ↗zeit-fragen.ch

Deutschland:
Geldvermögen der privaten Haushalte übersteigen im dritten Quartal 2018 erstmals 6 Billionen Euro bzw. 72.000 Euro je Einwohner* bundesbank.de
*Bevölkerungsstand am 30.09.2018: 82,98 Mio. Einwohner

Recht: Weisungsbefugnis der Justizminister an Staatsanwälte ist fragwürdig

19.02.2019/EG
Quelle: ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Köln

Roland Rechtsreport 2019: 63 Prozent der befragten 988 Richter und Staatsanwälte halten es für vorstellbar, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr geraten könnte

„Die Unabhängigkeit der Justiz ist aus Sicht der Befragten in verschiedener Hinsicht gefährdet. Zum einen teilen 58 Prozent der Richter und Staatsanwälte die Befürchtung, dass die Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen in der Exekutive schwindet. Jüngste Fälle, in denen sich Behörden über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt haben, dürften diesen Eindruck verstärken. Die Gefährdung der Unabhängigkeit durch mediale Berichterstattung und einen hohen öffentlichen Erwartungsdruck wird heute hingegen deutlich geringer eingeschätzt als vor fünf Jahren.

Die Weisungsbefugnis der Justizminister an die Staatsanwaltschaften wird eindeutig kritisch gesehen: 79 Prozent der Befragten sind dafür, diese Weisungsbefugnis im Einzelfall abzuschaffen. Grundsätzlich sehen die Teilnehmer der Studie das Risiko, dass die Politik die Unabhängigkeit der Justiz gefährden könnte. 63 Prozent der Richter und Staatsanwälte halten es für vorstellbar, dass auch hierzulande eine Regierung versuchen könnte, in ihre Arbeit einzugreifen – so wie es beispielsweise in Polen und Ungarn der Fall ist.“ roland-rechtsschutz.de (Seite 11)