Arm trotz Arbeit!

30.12.2018/EG
Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, über die Armut jenseits der Sanktionen

„Über Jahre priesen CDU, SPD und FDP Hartz IV, das Herzstück der Agenda 2010, als herausragende Reform, die Deutschland als den „kranken Mann Europas“ kurierte und wieder zum echten Champion kürte – dank eines mutigen Kanzlers Gerhard Schröder und der Aufgeschlossenheit der Sozialdemokraten. (…) Die Grünen, die ja maßgeblich Mitverantwortung trugen für die Agenda 2010 und für Hartz IV, hielten sich über viele Jahre mit Lob und Tadel lieber bedeckt und erlitten daher auch – ganz anders als die SPD – nur wenig Reputationsverlust.
(…)
Das neoliberale Armen-Bashing lebt von altbekannten Klischees: Arme sind vor allem arbeitslos, ungebildet, wahlweise auch kinderreiche Migranten, die von Stütze leben wollen. Doch ebendieses Bild ist ziemlich ungenau, ja wenn nicht sogar schlichtweg falsch. (…) So finden sich unter Erwerbstätigen mit neun Prozent unterdurchschnittlich viele Arme, man kann es aber auch anders ausdrücken: Fast jeder zehnte Arbeitnehmer ist arm. Sieht man sich die Zahlen genauer an, wird klar: Wir haben kein Problem mit vermeintlich Faulen, sondern mit den Arbeitenden und Rentenbeziehern, die trotzdem arm sind.“ blaetter.de

Zum Thema

Den Armutsbericht 2018 des Paritätischen lesen Sie hier der-paritätische.de

Mindestlohn
Der ab Januar 2019 gültige Mindestlohn in Höhe von 9,19 Euro pro Stunde ermöglicht ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von rund 1.500 Euro brutto bzw. 1.100 Euro netto (Bayern/ledig/Steuerklasse I).

Die Parteien, die im vorgenannten Zeitraum die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verantworteten:

  • seit März 2018: CDU/CSU/SPD
  • 2013 bis 2018: CDU/CSU/SPD
  • 2009 bis 2013: CDU/CSU/FDP
  • 2005 bis 2009: CDU/CSU/SPD
  • 2002 bis 2005: SPD/DIE GRÜNEN (Umsetzung ‘Agenda 2010‘)
  • 1998 bis 2002: SPD/DIE GRÜNEN

Neuregelungen zum Jahreswechsel

28.10.2018/EG
Quelle: Bundesregierung, Berlin

Mindestlohn und Sozialhilfe werden angehoben / Anpassungen in der Pflege und Mietrecht

Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn steigt in zwei Schritten: Ab Januar 2019 beträgt er 9,19 Euro pro Stunde und 9,35 Euro ab Januar 2020. bundesregierung.de

Brückenteilzeit

Ab Januar 2019 können Beschäftigte befristet in Teilzeit arbeiten und danach wieder zur vorherigen Arbeitszeit zurückkehren. Die Neuregelung gilt auch für Beschäftigte, die bisher unbefristet in Teilzeit arbeiten und ihre Arbeitszeit aufstocken wollen. bundesregierung.de

Weiterbildung/Qualifizierung

Mit dem Qualifizierungschancengesetz werden alle Beschäftigten unterstützt, sich weiterzubilden und so auf den zunehmend digitalisierten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Arbeitgeber können Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Beschäftigte zur Weiterbildung freistellen. bundesregierung.de

Langzeitarbeitslosigkeit

Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose sozialversichert beschäftigen, können Lohnkostenzuschüsse erhalten. bundesregierung.de

Sozialhilfe (ALGII)

Ab Januar 2019 wird der Regelsatz um 1,9 Prozent bzw. 8 Euro auf 424 Euro für Alleinlebende angehoben. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche erhöhen sich ebenfalls. „Damit wird ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet.“ bundesregierung.de

Rente

Das Rentenpaket sieht Verbesserungen bei Mütter- und Erwerbsminderungsrente vor und entlastet Geringverdiener bei den Sozialbeiträgen. bundesregierung.de

Buchtipp: Bereicherung – Eine Kritik der Ware

28.12.2018/EG

Luc Boltanski, Arnaud Esquerre: Bereicherung – Eine Kritik der Ware

Sachbuch (Gesellschaft, Kapitalismus, Medien, Politik, Umwelt, Wirtschaft)

Museen, Kunst, Luxusgüter, Immobilien, Tourismus – für die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre sind dies zentrale Felder einer neuen Ökonomie der Anreicherung, die zunehmend unsere Gesellschaften prägt und vor allem der Bereicherung der Reichen dient. In ihrem brillanten Buch, das seit seinem Erscheinen Furore macht, analysieren sie diesen neuen Kapitalismus.

Sein Ziel ist nicht mehr die industrielle Warenproduktion, die in die Entwicklungs- und Schwellenländer ausgelagert wurde, sondern die Anreicherung von Dingen, die bereits da sind. Der Wert von Waren sinkt normalerweise mit der Zeit, in der Anreicherungsökonomie ist das jedoch umgekehrt: Er steigt. Die Ware – das Kunstwerk, die Uhr, der Urlaubsort oder die Immobilie – wird dabei mit einer bestimmten Geschichte oder Tradition versehen, die sie anreichert. Boltanski und Esquerre verfolgen den Aufstieg dieser neuen Ökonomie, die auf den Industriekapitalismus seit den 1970er Jahren folgt, und zeigen, wie sie von den Medien, den Hochglanzbeilagen und Kunstmagazinen, aber auch von der Politik befördert wird und neue soziale Rollen schafft: Rentiers und Bedienstete, Kreative und Zukurzgekommene.

Was hat der Euro mit den Protesten in Frankreich zu tun?

22.12.2018/EG
Quelle: Zeit-Fragen, Zürich

Guy Berger, Hélène Clément-Pitiot, Daniel Fedou, Jean-Pierre Gerard, Christian Gomez, Jean-Luc Greau, Laurent Herblay, Jean Hernandez, Roland Hureaux, Gérard Lafay, Jean-Louis Masson, Philippe Murr, Pascal Pecquet, Claude Rochet, Jean-Jacques Rosa, Jacques Sapir, Henri Temple, Jean-Claude Werrebrouk und Emmanuel Todd (Wissenschaftler und Persönlichkeiten der französischen Gesellschaft) über eine Ursache für die ‘Gelbwesten‘

„Niemand verbindet die aktuelle Entwicklung der «Gelbwesten» mit dem Scheitern des Euro. Die Verarmung der grossen Mehrheit, dessen offensichtlichstes Zeichen, ist jedoch die direkte Folge der Politik, die ergriffen wurde, um die europäische Einheitswährung um jeden Preis zu retten. Es geht dabei nicht so sehr um die quantitative Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank, die im übrigen für die Produktionssteigerung wenig effektiv ist, sondern um die Haushaltspolitik der Steuer­erhöhungen und der Kürzung der öffentlichen Investitionen, die von der Brüsseler Kommission überall gefordert werden. Sie haben zwar dazu geführt, dass die Aussenhandelsbilanz einiger Defizitländer wiederhergestellt wurde. Dies war jedoch nur möglich auf Kosten einer «inneren Abwertung», das heisst einer drastischen Einkommenssenkung, verbunden mit einer massiven Reduktion der Inlandsnachfrage. Sie haben somit zu einem dramatischen Produktionseinbruch in den meisten südeuropäischen Ländern und einer sehr hohen Arbeitslosigkeit geführt, trotz eines massiven Exodus der dynamischen Kräfte dieser Länder.“ ↗zeit-fragen.ch

Zum Thema

Für zehn von 19 Euro-Länder war der Handel mit EU-Mitgliedsländer, im Zeitraum Januar bis Oktober 2018, defizitär. ec.europa.eu

Zum Euroraum (ER19) gehören Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Griechenland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern.

Für 17 von 28 EU-Länder war der Handel mit EU-Mitgliedsländer, im Zeitraum Januar bis Oktober 2018, defizitär. ec.europa.eu

Zur Europäischen Union (EU28) gehören Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern.

EU: Jeder sechste Euro landet in Steueroasen

22.12.2018/EG
Quelle: EUROSTAT, das statistische Amt der Europäischen Union, Luxemburg

Bestände der weltweiten Direktinvestition aus der EU: Ende 2017 wurden 1,26 Billionen Euro in Steueroasen ‘investiert‘

Nach Angaben von EUROSTAT summierten sich Ende 2017 die Bestände an Direktinvestitionen von in der Europäischen Union ansässigen Investoren in der übrigen Welt auf 7,4 Billionen Euro (2016: 7,6 Billionen Euro. Davon wurden 1,26 Billionen Euro (2016: 1,28 Billionen Euro), 17 Prozent bzw. jeder sechste Euro, in sogenannte Offshore-Finanzzentren ’investiert‘. ec.europa.eu