Arm trotz Arbeit

06.07.2017/EG aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), Düsseldorf

WSI-Studie: In Deutschland hat sich Erwerbsarmut seit 2004 verdoppelt – stärkster Anstieg unter 18 EU-Ländern / 2014 war fast jeder zehnte Erwerbstätige zwischen 18 und 64 erwerbsarm

„Das Beispiel Deutschland sei „besonders bemerkenswert“, so die Forscher. Einerseits stieg die Beschäftigungsrate zwischen 2004 und 2014 stärker als in jedem anderen europäischen Land, andererseits verzeichnete Deutschland den höchsten Zuwachs an Erwerbsarmut – trotz eines kleinen Rückgangs von 2013 auf 2014. Wie passt das zusammen? „Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen Beschäftigungswachstum und Armut komplizierter als gemeinhin angenommen“, so die Wissenschaftler. Mehr Arbeit sei keine Garantie für weniger Armut – zumindest dann nicht, wenn die neuen Jobs niedrig entlohnt werden und/oder nur einen geringen Umfang haben. (…)

Erwerbsarmut lässt sich nicht mit Lohnsenkungen und dem Abbau von Transferleistungen bekämpfen. Im Gegenteil, unserer Analyse zufolge erhöhen diese Maßnahmen das Erwerbsarmutsrisiko.“ boeckler.de

Ergänzung am 07.07.2017

Zum Thema

Werner Vontobel, Wirtschaftskolumnist, über den seit Jahren sinkenden Produktivitätsfortschritt:

„Wenn irgendwo eine Schuhfabrik gebaut wird, freut man sich nicht darüber, dass es jetzt endlich wieder Schuhe gibt, sondern man dankt dem Investor für die Jobs, die er geschaffen hat. Und die Multis lassen sich ihre Entscheide für oder gegen einen Standort teuer bezahlen. Sie verkaufen ihre Arbeit dem meistbietenden. Das erklärt, warum inzwischen auch im reichen Deutschland 30% der Beschäftigten für Löhne arbeitet, mit denen man den Lebensunterhalt spätestens nach der Pensionierung nicht bestreiten kann. Der Staat übernimmt (in den meisten Ländern auf Pump) die Differenz zum Existenzminimum und kompensiert damit zumindest teilweise den Nachfrageausfall, den die Unternehmen mit ihren Dumping-Löhnen verursacht haben.“ ↗oekonomenstimme.org